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#EconMeToo und was daraus in der Wissenschaft folgen muss: Kommentar

DIW Wochenbericht 38 / 2023, S. 526

Clara Schäper

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In der (Wirtschafts-)Wissenschaft ist das systemische Problem von Machtmissbrauch und sexuellem Fehlverhalten noch immer ein Tabu. Erst die Bewegung #EconMeToo brachte das Thema vor einem Jahr an die breitere Öffentlichkeit und zeigt: Viele Fälle werden aus Angst vor beruflichen und persönlichen Konsequenzen nicht gemeldet – oder weil die institutionellen Schutzmechanismen unzureichend sind. Selbst wenn ein Vorfall gemeldet wird, sind Strukturen oft intransparent und erfordern das Engagement von Einzelpersonen, um Opfer zu unterstützen. Die Kosten für Opfer übersteigen dabei oft die Kosten für Täter. Zeit, aktiv dagegen vorzugehen.

Im vergangenen Jahr habe ich als Vertreterin der Promovierenden der Berlin School of Economics und des DIW Graduate Center gemeinsam mit meinen Kolleginnen daran gearbeitet, das Thema in den Fokus unserer Institutionen zu rücken. Im Laufe des Jahres haben wir viele schockierende Geschichten gehört. Sie reichten von subtil unangemessenem Verhalten bis hin zu Fällen, in denen ein Professor wegen sexueller Belästigung intern sanktioniert und kurze Zeit später Dekan der Fakultät wurde. Uns wurde von Professorinnen davon abgeraten, uns als junge Forscherinnen zu dem Thema zu äußern, solange wir keine Professur haben. Wir haben außerdem von Opfern und Unterstützenden gehört, die aufgrund ihrer Erfahrungen die Wissenschaft verlassen oder ihr Forschungs(um)feld geändert haben.

#EconMeToo mag nicht allen Forschenden bekannt sein, zeigt aber, dass es eine neue Generation von Wirtschaftswissenschaftler*innen gibt, die zusammenstehen. Bei Gesprächen mit Forschenden in Machtpositionen, hauptsächlich Männern, stellen wir ein mangelndes Verständnis für die Erfahrungen von marginalisierten Gruppen fest. Dennoch führen viele dieser Gespräche auch bei ihnen zu einem Willen zur Veränderung.

Professor*innen sind nicht nur Forschende, sondern auch Manager*innen, Arbeitgebende, Beurteilende von Leistungen und Mentor*innen. Bei ihnen beschäftigt zu sein führt zu komplexen Abhängigkeitsverhältnissen. Doch auch vermeintlich unabhängige Kontaktstellen sind oft indirekt von Täter*innen abhängig. Was passiert, wenn die Frauenbeauftragte einer Fakultät eine Bachelor-Studentin ist, der Täter der Dekan der Fakultät oder der Professor, der für die Fakultät wichtige Finanzierung eingebracht hat? Trotz bestehender Strukturen müssen Opfer selbst nach Hilfe suchen und werden dabei oft damit konfrontiert, dass ihre Erfahrungen heruntergespielt werden oder sich die Machthabenden nicht zuständig fühlen. Einige Universitäten und Forschungsinstitute haben intern angekündigt, ihre Strukturen und Unterstützungssysteme zu reformieren. Dies bedeutet zum Teil, dass die Stelle einer Ombudsperson oder Gleichstellungsbeauftragten überhaupt erst geschaffen wird. Aber ist das ausreichend?

Wir schlagen Maßnahmen in drei Bereichen vor, um Machtmissbrauch und sexuellem Fehlverhalten entgegenzuwirken: Erstens muss gewährleistet sein, dass Opfer nach einem Vorfall direkt unterstützt werden. Dies sollte sofortige finanzielle Notfallleistungen, Karriereberatung, psychologische Hilfe und unabhängige Mediation umfassen. Zweitens müssen Prävention und Institutionalisierung durch klare Kommunikation und Bildungsmaßnahmen gefördert werden. Dies sollte einen Verhaltenskodex, Reduzierung von Abhängigkeiten sowie Schulungen für Universitätsmitarbeitende und Studierende beinhalten. Dazu gehört aber auch, das Vertrauen in Institutionen und die Glaubwürdigkeit aller, insbesondere der Professor*innen als Verbündete, herzustellen. Drittens muss es transparente und klare Sanktionsmöglichkeiten gegen Täter*innen geben. Es müssen für interne Verfahren klare Verantwortlichkeiten, Abläufe und die Einbeziehung unabhängiger Instanzen vereinbart werden.

Der Schutz und Respekt aller Personen sollte oberste Priorität haben – ein Prinzip, das derzeit nicht ausreichend eingehalten wird. Wir alle sollten darüber nachdenken, welche kleinen Veränderungen wir in unserem Verhalten vornehmen können, um die akademische Welt sicherer und respektvoller zu gestalten.

Clara Schäper

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics

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