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Steuerliche Ungleichbehandlung von Spenden widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden: Interview

DIW Wochenbericht 46 / 2022, S. 606

Jürgen Schupp, Erich Wittenberg

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Herr Schupp, wie viele Menschen in Deutschland spenden und wie hat sich diese Zahl in den letzten Jahren entwickelt? Gemäß den Analysen, die wir auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) durchführten, haben im Jahr 2019 annähernd 30 Millionen Erwachsene gespendet. Das ist ein Rückgang gegenüber dem letzten SOEP-basierten Bericht für das Jahr 2017.

Wie hat sich der Spendenbetrag, also die Höhe der Spenden, in den letzten Jahren entwickelt? Die durchschnittliche Höhe der im SOEP ermittelten Spenden des Jahres 2019 lag bei 347 Euro pro Spender*in. Das sind im Vergleich zu 2017 knapp 50 Euro mehr. Das Gesamtspendenvolumen privater Haushalte betrug im Jahr 2019 10,3 Milliarden Euro und ist damit im Vergleich zu 2017 um mehr als 500 Millionen Euro gestiegen.

Worauf ist die Zunahme des Spendenvolumens zurückzuführen? Wir sehen den Hauptgrund vor allem in einer Verbesserung der Datengrundlage des SOEP. Im Erhebungsjahr wurden die Fragen zum Spendenverhalten erstmals auch einer neuen Teil-Stichprobe des SOEP, den Hochvermögenden, gestellt. Ohne diese Gruppe liegt die Zahl der Spendenden zwar nur geringfügig niedriger, bei 29,6 Millionen. Aber die durchschnittliche Spendenhöhe sinkt von 347 Euro auf 316 deutlich. Das Spendenvolumen liegt ohne die Einbeziehung der Hochvermögenden insgesamt rund eine Milliarde Euro niedriger.

Welche Personengruppen spenden am häufigsten und welche weniger häufig? Mit steigendem Alter erhöht sich auch die Spendenquote. Hinsichtlich des Geschlechts sehen wir ein früheres Ergebnis bestätigt, nämlich dass die Spendenquote bei Frauen signifikant höher liegt, andererseits Männer signifikant höhere durchschnittliche Beträge spenden, nämlich 416 Euro gegenüber 286 Euro bei Frauen.

Welche Rolle spielt das Einkommen? Die Höhe des verfügbaren Einkommens im Haushalt spielt eine entscheidende Rolle. So bringen die einkommensstärksten zehn Prozent der Haushalte rund 37 Prozent des gesamten Spendenvolumens privater Haushalte auf. Relativ zum verfügbaren Jahreseinkommen spenden sie aber deutlich weniger als die unteren Einkommensgruppen. Mit anderen Worten: die einkommensschwächsten Haushalte zählen zu den spendabelsten.

Wie haben sich Krisen wie die Pandemie und der Ukraine-Krieg auf das Spendenverhalten ausgewirkt? Eine Antwort auf diese Frage können wir aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen geben. Demnach ist in den Pandemiejahren 2020 und 2021 eine starke Zunahme der Spenden zu beobachten. Dies wird vermutlich 2022 nochmals übertroffen, da allein wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine bereits jetzt, Stand Oktober, 862 Millionen Euro für Betroffene gespendet wurden.

Wie ließe sich die Spendenbereitschaft in Deutschland fördern? Wir stellen in unserem Bericht die derzeitige Form der staatlichen Förderung von Spenden im Rahmen des Einkommenssteuergesetzes in Frage und sprechen uns für eine einheitliche steuerliche Abzugsfähigkeit von 42 Prozent aus. Dies hätte zur Folge, dass vor allem Personen mit geringen und mittleren Einkommen einen höheren Anreiz hätten zu spenden. Die derzeitige Festlegung am Grenzsteuersatz hat ja die Konsequenz, dass ein Spitzenverdiener mit 42 Prozent Grenzsteuersatz bei einer Spende von 100 Euro 42 Euro vom Staat zurückbekommt, während eine geringverdienende Person mit dem Eingangssteuersatz von 15 Prozent lediglich 15 Euro vom Staat erstattet bekommt. Diese Ungleichbehandlung widerspricht, denke ich, dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Jürgen Schupp
Steuerliche Ungleichbehandlung von Spenden widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden - Interview mit Jürgen Schupp

Jürgen Schupp

Wissenschaftler in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

Themen: Verteilung

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