Statement vom 4. Juli 2022
Zum Auftakttreffen der konzertierten Aktion von Politik, Gewerkschaften und Arbeitgebern äußert sich Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:
Dass sich Bundeskanzler Scholz mit Gewerkschaften und Arbeitgebern trifft, um den stark steigenden Preisen vor allem im Energiebereich zu begegnen, ist prinzipiell gut. Das Signal der Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln, das vom heutigen Auftakttreffen ausgeht, ist wichtig. Alle Beteiligten müssen nun aber aufpassen, dass die konkreten Maßnahmen, die wohl nach der Sommerpause folgen sollen, wirksam sind und nicht – wie beispielsweise der Tankrabatt – verpuffen. Es darf keine faulen Kompromisse mehr geben. Andernfalls könnte viel Vertrauen verspielt werden und die Hoffnung der Bürgerinnen und Bürger auf hilfreiche Gegenmaßnahmen zur Inflation schwinden.
Zentral ist, dass nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Zugeständnisse machen, sondern auch die Arbeitgeber. Die Lasten müssen fair verteilt werden. So sollten beispielsweise Unternehmen, die kaum von der Krise betroffen sind oder sogar von ihr profitieren, nicht vor Lohnerhöhungen bewahrt werden. Und so sollten beispielsweise gezielt Geringverdienende entlastet werden statt pauschal alle Erwerbstätigen. Lohnerhöhungen dürfen nicht durch Einmalzahlungen ersetzt werden. Dauerhafte Preissteigerungen lassen sich damit nicht auffangen. Die Lohn-Preis-Spirale ist ein Mythos und darf nicht als Ausrede herhalten, damit Arbeitgeber um Lohnerhöhungen herumkommen. Die realen Löhne und damit die Kaufkraft der Einkommen der Beschäftigten dürften mit durchschnittlichen Lohnerhöhungen von vier bis fünf Prozent und einer Inflation von über sieben Prozent in diesem Jahr deutlich sinken. Von einer Lohn-Preis-Spirale sind wir meilenweit entfernt.
Die Bundesregierung sollte sich als eigenen Beitrag zur konzertierten Aktion zu einer expansiven Finanzpolitik für Zukunftsinvestitionen bekennen und damit konsequenterweise auch die Schuldenbremse für 2023 aussetzen. Eine restriktive Finanzpolitik wird die Inflation nicht reduzieren, sondern den wirtschaftlichen Schaden nur weiter verschärfen. Die Bundesregierung sollte ein Paket von Zukunftsinvestitionen als Teil der konzertierten Aktion beschließen, um das Wirtschaftspotenzial in den kommenden Jahren zu erhöhen, damit den Druck auf die Inflation zu reduzieren und gleichzeitig mehr Wachstum und Einkommen zu generieren.
Themen: Arbeit und Beschäftigung , Verbraucher