Statement vom 9. September 2021
Die Ergebnisse der heutigen Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) kommentiert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:
Die EZB hält sich in Bezug auf das Ende ihrer expansiven Geldpolitik bedeckt. Sie zeigt sich optimistisch, was die wirtschaftliche Erholung betrifft, und hat auch ihre Prognose für die Inflation leicht erhöht. Das ist jedoch kein ausreichender Anlass, ein Ende der Anleihenkäufe oder der Nullzinspolitik in Aussicht zu stellen. Das reduzierte Volumen der Anleihenkäufe unter dem Notfallprogramm PEPP sollte nicht als eine restriktive Geldpolitik verstanden werden, denn die EZB reduziert diese lediglich auf das vorherige Niveau und wird auch nach März 2022 ihre regulären Anleihenkäufe fortsetzen.
Die Unsicherheit durch die Pandemie bleibt nach wie vor enorm. Die Inflation wird wohl auch für die kommenden zwei Jahre deutlich unter dem Ziel der Preisstabilität von zwei Prozent bleiben, trotz der gegenwärtig höheren Inflation. Dies wird vielen in Deutschland nicht gefallen, aber der aktuelle Anstieg der Inflation ist zu einem großen Teil Sondereffekten geschuldet und eine willkommene Normalisierung nach einer langen Zeit mit zu niedriger Inflation.
Die EZB signalisiert zu Recht, dass sie sich alle Freiheiten und Flexibilität für ihre weitere Geldpolitik in den kommenden Jahren sichern wird. Die Wirtschaftsentwicklung und die Inflation sind immer noch nicht stark genug für eine Ende der expansiven Geldpolitik. Die Tatsache, dass die Inflation im Euroraum seit nun fast zehn Jahren zu gering war, zeigt, dass die EZB eher zu vorsichtig als zu forsch mit ihrer Geldpolitik agieren wird.
Der Euroraum hinkt beim geldpolitischen Kurs den USA um ein oder zwei Jahre hinterher. Der Grund ist nicht die Geldpolitik, sondern die Finanzpolitik, die in den USA sehr viel expansiver und damit unterstützender für die Geldpolitik war und ist als in Europa und in Deutschland. Die Finanzpolitik der nächsten Bundesregierung ist deutlich wichtiger für die künftigen Finanzierungsbedingungen als das, was die EZB mit ihren geldpolitischen Instrumenten bewirken kann.
Themen: Geldpolitik