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Deutsche Wirtschaft: Auf dem langen Weg zurück in die Normalität: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Herbst 2020

DIW Wochenbericht 37 / 2020, S. 654-674

Claus Michelsen, Marius Clemens, Max Hanisch, Simon Junker, Konstantin A. Kholodilin, Laura Pagenhardt

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Die deutsche Wirtschaft hat die Talsohle durchschritten, der Weg zurück nach oben ist aber relativ mühsam. Nach dem knapp zweistelligen Einbruch der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal dürfte die Erholung dennoch mit überdurchschnittlichen Raten einhergehen; dabei wird allerdings davon ausgegangen, dass es nicht zu einer zweiten Infektionswelle und erneuten lockdownähnlichen Einschränkungen kommt. Vor allem der private Konsum wird im weiteren Jahresverlauf deutlich zulegen: Die Kurzarbeit geht allmählich zurück, auch deshalb steigen die verfügbaren Einkommen. Zudem haben die Haushalte in der Hochphase der Corona-Pandemie viel Geld auf die hohe Kante gelegt, dass sie nun nach und nach ausgeben können. Die Mehrwertsteuersenkung und weitere Maßnahmen des Konjunkturpakets stützen den Konsum und damit die Konjunktur. Langwieriger dürfte sich die Erholung der Auslandsnachfrage nach Produkten „Made in Germany“ gestalten: Wirtschaft und Arbeitsmärkte sind in vielen Ländern noch weitaus stärker in Mitleidenschaft gezogen worden als hierzulande und insbesondere langlebige Konsum- und Investitionsgüter werden wohl nur verhalten nachgefragt – also gerade die deutschen Exportschlager. Unter dem Strich wird das Vorkrisenniveau wohl erst in etwa anderthalb Jahren erreicht sein. In diesem Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um jahresdurchschnittlich 6,0 Prozent einbrechen und in den kommenden beiden Jahren um 4,1 beziehungsweise 3,0 Prozent wachsen.

Die Corona-Pandemie belastet weltweit die Menschen und Volkswirtschaften. Auch Deutschland ist infolge der Pandemie und ihrer Bekämpfung in die tiefste Rezession der Nachkriegsgeschichte gestürzt. Im zweiten, besonders durch den Lockdown geprägten Quartal ist die Wirtschaftsleistung um fast zehn Prozent eingebrochen. Mittlerweile hat die deutsche Wirtschaft den Tiefpunkt aber hinter sich gelassen.

Die Pandemie ist indes noch nicht ausgestanden und es drohen neue Infektionswellen. In vorliegender Prognose wird unterstellt, dass die globalen Infektionszahlen allmählich abebben. Unter dieser Annahme erholt sich die Wertschöpfung mit überdurchschnittlichem Tempo, wenngleich es wohl noch etwa anderthalb Jahre dauern wird, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht ist. Welche Auswirkungen sich ergeben könnten, wenn die Pandemie erneut aufflammt, wird in einem Szenario untersucht (Kasten 1).

Die im Bericht vorgestellte Prognose basiert auf der Annahme, dass die Pandemie weltweit abebbt, zumindest aber keine weitreichenden Maßnahmen zu ihrer Eindämmung mehr getroffen werden müssen. In diesem Kasten sollen mögliche wirtschaftliche Folgen für den Fall dargestellt werden, dass sich die Rahmenbedingungen nicht so günstig entwickeln. Konkret wird ein erneutes Aufflammen der Pandemie zum Jahreswechsel 2020/21 unterstellt, dem Eindämmungsmaßnahmen entgegengesetzt werden. Ob – und gegebenenfalls wann und wie gravierend – ein derartiges Szenario tatsächlich eintritt, ist schwer zu quantifizieren. Dementsprechend sind alle hier vorgelegten Zahlen als beispielhaft für die wirtschaftlichen Effekte zu sehen und dienen vornehmlich der Veranschaulichung von Wirkungskanälen.

Angenommen wird, dass es Maßnahmen und Verhaltensanpassungen der Wirtschaftsakteure dahingehend gibt, dass davon die Wirtschaftsaktivität in nennenswertem Ausmaß gebremst wird. Dabei dürfte die Einschränkung des gesellschaftlichen Lebens aber glimpflicher ausfallen als in diesem Frühjahr, da sich im Umgang mit dem Corona-Virus erhebliche Lerneffekte eingestellt haben sollten, neue medizinische Erkenntnisse gewonnen und die medizinischen Kapazitäten ausgeweitet wurden. Damit beeinträchtigen unterstellte Maßnahmen für sich genommen das Wirtschaftsgeschehen wohl nicht so stark wie im Frühling dieses Jahres. Anders als damals treffen sie aber nicht eine Wirtschaft, die gerade einen mehrjährigen Aufschwung hinter sich gelassen hat: Die Arbeitslosigkeit liegt bereits deutlich höher, viele Selbstständige haben im Zuge der gerade zurückliegenden Rezession ihre Existenzgrundlage verloren oder diese nur unter Mühen erhalten können, und die Eigenkapitalbasis vieler Unternehmen dürfte empfindlich weggeschmolzen sein. Damit ist ein erneuter Schock anders zu bewerten, auch wenn er geringer ausfällt.

Als Ausgangspunkt zur Quantifizierung des Effekts dienen die Überlegungen zu einem entsprechenden globalen Szenario.infoSiehe dazu den Bericht zur Weltwirtschaft in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts von Claus Michelsen et al. (2020): Langsame Erholung folgt tiefer Rezession. DIW Wochenbericht Nr. 37, 642–652. Dieses soll hier konkreter für die deutsche Wirtschaft ausgearbeitet werden. Die ausländische Nachfrage nach heimischen Waren und Dienstleistungen sinkt dabei um gut drei Prozent. Damit würde der Rückgang nur einem Fünftel des Einbruchs vom zweiten Quartal entsprechen (Abbildung 1), als die Auslandsnachfrage um gut 17 Prozent eingebrochen war.

Damals waren die deutschen Ausfuhren um gut ein Fünftel und damit noch stärker gesunken – wohl auch, weil die deutschen Exporteure durch die Ausrichtung auf Investitionsgüter besonders betroffen waren. Erschwerend kam damals hinzu, dass Lieferketten gestört waren, teils konnte also auch deswegen nicht exportiert werden, weil Vorleistungen zur Produktion fehlten. In Bezug auf die Lieferketten dürften mittlerweile durch vorsichtigere Lagerdispositionen mehr Spielräume bestehen, und angesichts eines geringeren Schocks wechselseitige Lieferengpässe nicht so stark ins Gewicht fallen. Alles in allem wird daher von einem Exportrückgang um gut drei Prozent ausgegangen.

Dies trifft das verarbeitende Gewerbe, das seine Produktion zusätzlich deswegen runterfährt, weil auch die heimische Nachfrage sinkt (Abbildung 2). Spiegelbildlich sind auch die Dienstleister betroffen; anders als während des Lockdowns in diesem Frühjahr dürften aber derart weitreichende Maßnahmen ausbleiben und die Wertschöpfung auch im Verhältnis nicht ganz so stark betroffen sein.

Annahmegemäß fallen coronabedingte Einschränkungen im zweiten Quartal weg, sodass wieder eine Erholung einsetzt. Diese überlagert sich mit dem Aufholprozess, der derzeit einsetzt, Anfang 2021 noch im Gange ist und lediglich durch den unterstellten Rücksetzer unterbrochen wird. Entsprechend fallen die Raten höher aus als in der Basisprognose unterstellt. Doch ist davon auszugehen, dass (spätestens) eine erneute Störung des Wirtschaftsgeschehens für viele Betriebe existenzbedrohend wird. Höhere Insolvenzraten führen dazu, dass Kapital abgeschrieben werden muss und auch die potentielle Wirtschaftsleistung Schaden nimmt. Entsprechend wird die deutsche Wirtschaft für geraume Zeit weniger produzieren (Abbildung 3) als ohne eine erneute Pandemiewelle.

Betroffen sind vor allem der Außenhandel, aber auch die Investitionen sinken merklich und der private Verbrauch würde erneut deutlich zurückgehen – wenngleich sich der Konsum in der Folge rascher erholen dürfte als die Investitionen und Exporte.

Anders als in der Sommerprognose werden die Maßnahmen des Konjunkturpaketes berücksichtigt, was für sich genommen die Wirtschaftsleistung um gut ein Prozent anhebt. Der Einbruch im zweiten Quartal war um 1,3 Prozent weniger tief als noch vor drei Monaten angenommen – nicht zuletzt, weil sich die ausländische Nachfrage nach heimischen Waren und Dienstleistungen zuletzt schneller erholt hat als zunächst erwartet. Alles in allem dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 6,0 Prozent schrumpfen (Abbildung 1) – damit fällt die Prognose für dieses Jahr um 3,4 Prozentpunkte höher aus als im Sommer.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt indes angespannt. Im April waren sechs Millionen ArbeitnehmerInnen in Kurzarbeit – also jeder sechste sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Anders als in der Finanzkrise sind diesmal nahezu alle Wirtschaftszweige betroffen – allen voran die Industrie und die industrienahen Dienstleister sowie die Bereiche, die besonders unter den Einschränkungen vom Frühjahr gelitten haben. Dazu zählen Teile des Einzelhandels, die Gastronomie und die sonstigen Dienstleister, zu denen beispielsweise Veranstalter in den Bereichen Kunst und Sport zählen. Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung wird die Kurzarbeit aber bereits wieder merklich zurückgefahren. Die Beschäftigung dürfte zunächst aber kaum steigen und erst ab dem Frühjahr 2021 wieder etwas höhere Zugänge verzeichnen. Vor der Corona-Krise betrug die Arbeitslosenquote 5,0 Prozent. Aufgrund dieses niedrigen Ausgangswertes steigt sie in diesem Jahr in jahresdurchschnittlicher Betrachtung nicht allzu stark, nämlich auf 6,0 Prozent. Zuletzt ist die Arbeitslosenquote aber bereits auf 6,4 Prozent geklettert – von diesem Niveau aus wird sie ab dem Jahreswechsel nur allmählich zurückgehen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland

2017 2018 2019 2020 2021 2022
Reales Bruttoinlandsprodukt1 (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent) 2,6 1,3 0,6 −6,0 4,1 3,0
Erwerbstätige im Inland (1000 Personen) 44262 44868 45269 44842 44781 45157
Erwerbslose, ILO 1621 1469 1374 1708 1756 1586
Arbeitslose, BA 2533 2340 2267 2719 2842 2562
Erwerbslosenquote, ILO2 3,8 3,4 3,2 4,0 4,1 3,7
Arbeitslosenquote, BA2 5,7 5,2 5,0 6,0 6,2 5,6
Verbraucherpreise3 1,5 1,8 1,4 0,6 1,4 1,6
Lohnstückkosten4 1,1 2,9 3,2 4,5 −0,5 1,6
Finanzierungssaldo des Staates5 1,4 1,8 1,5 –6,5 –3,8 –2,2
in Milliarden Euro 44,4 61,6 52,5 –215,0 –134,1 –77,8
in Prozent des BIP 1,4 1,8 1,5 –6,5 –3,8 –2,1
Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP 7,8 7,4 7,1 7,2 7,3 6,9

1 In Preisen des Vorjahres.

2 Bezogen auf die inländischen Erwerbspersonen insgesamt (ILO) beziehungsweise zivilen Erwerbspersonen (BA).

3 Verbraucherpreisindex.

4 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in Preisen des Vorjahres je Erwerbstätigenstunde.

5 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).

Quellen: Angaben nationaler und internationaler Institutionen; DIW Herbstgrundlinien 2020. Prognose ab 2020.

Angesichts der schweren Rezession dürften die Stundenlöhne im weiteren Verlauf nur verhalten zulegen. Weil zunehmend ArbeitnehmerInnen von der Kurzarbeit in die reguläre Beschäftigung zurückkehren, steigen die Lohneinkommen in der Summe dennoch spürbar an, da das Kurzarbeitergeld zwar einen großen, aber eben nur einen Teil der Lohnausfälle kompensiert. Damit erholen sich auch die verfügbaren Einkommen merklich.

Im Frühjahr hatten die sinkende Beschäftigung und der massive Einsatz von Kurzarbeit die Einkommen belastet. Hinzu kamen die verordneten Einschränkungen des Wirtschaftsgeschehens im Zuge des Lockdowns. Deswegen konnten die Einkommen in erheblichem Umfang nicht verausgabt werden; diese stehen den privaten Haushalten für eine allmähliche Ausweitung des Verbrauchs zusätzlich zur Verfügung. Alles in allem wird der Konsum im weiteren Verlauf des Jahres wieder kräftig zulegen und bis Ende kommenden Jahres sein Vorkrisenniveau erreicht haben. Dabei wird die Kaufkraft in der zweiten Hälfte dieses Jahres durch die Absenkung der Mehrwertsteuer angeschoben, die Inflation fällt vor allem deshalb mit 0,6 Prozent gering aus. Im Vergleich zur Dynamik, die durch den Aufholprozess ohnehin angelegt ist, fällt dieser zusätzliche Schub aber kaum ins Gewicht. Im kommenden Jahr profitiert die Kaufkraft von dem erwarteten weiteren Rückgang der Kurzarbeit.

Auch die Exporte erholen sich allmählich (Tabelle 2). Die in vielen Ländern – im Vergleich zu Deutschland – stärker betroffenen Arbeitsmärkte und die damit einhergehenden hohen Einkommensverluste dämpfen die Nachfrage aus dem Ausland aber nach wie vor merklich. Insbesondere die Nachfrage nach langlebigen Konsum- und nach Investitionsgütern dürfte im weiteren Verlauf verhalten ausfallen. Daher werden die Ausfuhren ihr Vorkrisenniveau wohl für geraume Zeit nicht wieder erreichen. Auch die zuletzt kräftige Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar wird die Ausfuhren dämpfen. Die Importe hingegen profitieren von der sich belebenden Binnennachfrage. Der Saldo der Handelsbilanz wird im weiteren Prognosezeitraum deswegen nicht nennenswert steigen; in Relation zur Wirtschaftsleistung dürfte er jahresdurchschnittlich 5,5 Prozent betragen. In diesem Jahr verhindern indes nur die ölpreisbedingt niedrigen Importkosten einen deutlich geringeren Saldo – die Terms of Trade ziehen um gut zweieinhalb Prozent an.

Tabelle 2: Quartalsdaten zur Entwicklung der Verwendungs- und Entstehungskomponenten des realen Bruttoinlandsprodukts

Veränderung gegenüber dem Vorquartal in Prozent; saison- und kalenderbereinigt

2020 2021 2022
I II III IV I II III IV I II III IV
Privater Verbrauch −2,5 −10,9 3,9 2,8 1,6 2,0 1,8 1,4 1,0 0,3 0,3 0,3
Öffentliche Konsumausgaben 0,6 1,5 0,7 0,6 0,7 0,4 0,1 0,4 0,5 0,3 0,3 0,3
Bruttoanlageinvestitionen −0,5 −7,9 1,2 1,2 1,2 1,3 1,4 1,4 1,2 0,9 0,8 0,8
Bauten 5,1 −4,2 −0,9 0,5 0,7 0,8 0,9 0,9 0,7 0,7 0,7 0,7
Ausrüstungen −7,3 −19,6 6,0 3,0 2,5 2,5 3,0 2,7 2,3 1,4 1,0 1,0
Sonstige Investitionen −4,1 0,6 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8
Lagerveränderung1 0,0 0,3 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Inländische Verwendung −1,4 −7,2 2,5 1,9 1,3 1,5 1,3 1,1 0,9 0,5 0,4 0,4
Außenbeitrag1 −0,7 −2,8 3,2 −0,5 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 0,0 0,0 0,0
Export −3,3 −20,3 15,1 1,6 1,5 1,5 1,5 1,2 0,9 0,9 0,6 0,6
Import −1,9 −16,0 7,9 3,1 2,2 2,0 1,8 1,5 1,2 0,9 0,8 0,8
Bruttoinlandsprodukt −2,0 −9,7 5,6 1,3 1,1 1,3 1,2 1,0 0,8 0,5 0,4 0,4
Bruttowertschöpfung −1,7 −9,9 5,6 1,3 1,1 1,3 1,2 1,0 0,8 0,5 0,4 0,3
Verarbeitendes Gewerbe −4,0 −16,1 15,1 2,0 1,4 1,5 1,5 1,3 1,0 0,6 0,5 0,5
Baugewerbe 4,6 −3,8 −0,9 0,5 0,7 0,8 0,9 0,9 0,7 0,7 0,7 0,7
Handel, Gastgewerbe, Verkehr −1,4 −12,4 5,3 2,8 2,4 3,3 2,6 1,9 1,5 0,6 0,4 0,4
Unternehmensdienstleister −2,2 −14,3 7,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 0,4 0,4 0,4
Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit −1,2 −8,8 3,9 0,8 0,8 0,8 0,8 0,6 0,5 0,4 0,2 0,2

1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.

Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Herbstgrundlinien 2020. Prognose ab dem dritten Quartal 2020.

Die Unternehmensinvestitionen brechen dieses Jahr um nahezu ein Fünftel ein. Auch für sie zeichnet sich aber bereits eine Erholung ab. Angesichts der ungewissen Perspektiven auf ausländischen Absatzmärkten und der erheblich gestiegenen Unternehmensverschuldung erreichen sie aber im Prognosezeitraum noch nicht ganz ihr Vorkrisenniveau. Sie profitieren von der robusten Binnenkonjunktur und den Stimuli aus dem Konjunkturpaket. Die Bauinvestitionen werden dagegen zwar von Jahr zu Jahr weiter ausgeweitet – allerdings büßen auch sie angesichts der gedämpften Einkommen an Tempo ein.

Die Erholung setzt sich bis zum Jahr 2022 fort. Zwar fallen die Raten bis dahin kräftig aus – im Jahresdurchschnitt dürfte die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr um 4,1 und im darauffolgenden Jahr um 3,0 Prozent wachsen. Ausgehend von dem zuletzt niedrigen Niveau wird die Produktionslücke dennoch erst im Jahr 2022 geschlossen sein (Abbildung 2). Dieses Jahr wird die Lücke wohl -4,9 Prozent betragen und auch im kommenden Jahr mit -2,0 Prozent noch beträchtlich sein.

Inflation: Ölpreise und Steuersenkung entlasten

Die Inflation fällt in diesem Jahr mit 0,6 Prozent niedrig aus. Dies liegt an den im ersten Halbjahr massiv eingebrochenen Ölpreisen und der ab Juli geltenden Senkung der Mehrwertsteuer, die wohl zu gut der Hälfte an die VerbraucherInnen weitergegeben wurde. Im kommenden Jahr steigen die Verbraucherpreise mit 1,4 Prozent jahresdurchschnittlich wieder mit dem Tempo wie im Jahr 2019 – die dämpfenden Effekte der Ölpreisrückgänge laufen dabei annahmegemäß ab Frühjahr 2021 aus (Kasten 2) und die Mehrwertsteuersenkung wird ab Januar wieder zurückgenommen. Die zuvor gesunkenen Preise dürften dann entsprechend nach oben angepasst werden. Im Jahr 2022 ist die Wirtschaft nicht mehr unterausgelastet, die Inflation sollte dann – mit 1,6 Prozent – etwas höher ausfallen.

Die vorliegende Prognose stützt sich auf folgende Annahmen (Tabelle 1). Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Geldpolitik im Zuge der Corona-Krise nochmals expansiver ausgerichtet und wird diesen Kurs im Prognosezeitraum beibehalten. Die Kapitalmarktzinsen in Deutschland bleiben deutlich im Minus. Bilaterale nominale Wechselkurse werden gemäß der üblichen Konvention über den Prognosezeitraum als konstant angenommen; Stichtag ist der 17. August 2020. Der Wechselkurs des Euro hat gegenüber dem US-Dollar zuletzt stark aufgewertet: Für dieses Jahr ergibt sich aufgrund der anfangs niedrigeren Kurse noch ein Durchschnitt von 1,14 US-Dollar je Euro, in den beiden kommenden Jahren sind es rund 1,18 US-Dollar je Euro. Aufgrund der Ölpreiseinbrüche vom Frühjahr fallen die Rohölnotierungen im Jahresdurchschnitt 2020 und auch noch 2021 mit knapp 40 Dollar je Barrel niedrig aus; ausgehend von Futures auf Brent-Öl, die graduelle Anstiege anzeigen, ergibt sich für 2022 ein etwas höherer Wert. Die Tariflöhne auf Stundenbasis sind für dieses Jahr weitgehend vereinbart; sie legen um 2,1 Prozent zu. Für die kommenden Abschlüsse, die zunächst unter dem Eindruck der Krise verhandelt werden, sind geringe Zuwächse zu erwarten.

Tabelle 1: Annahmen dieser Prognose

2020 2021 2022
EZB-Leitzins Prozent 0,0 0,0 0,0
Geldmarktzins EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent −0,4 −0,4 −0,4
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit 10-jähriger Restlaufzeit 0,2 0,4 0,7
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit 10-jähriger Restlaufzeit −0,4 −0,3 −0,1
Wechselkurs US-Dollar/Euro 1,14 1,18 1,18
Tarifliche Monatslöhne Änderung gegenüber Vorjahr in Prozent 2,1 1,6 1,8
Erdölpreis US-Dollar/Barrel 40,2 39,6 42,4
Erdölpreis Euro/Barrel 35,3 33,4 35,8

Quelle: DIW Herbstgrundlinien 2020.

Die Finanzpolitik war bereits ohne die coronabedingten Hilfsmaßnahmen und das beschlossene Konjunkturprogramm expansiv ausgerichtet (Tabelle 2). In Reaktion auf die Corona-Krise hat die Bundesregierung ein Soforthilfe- und Bürgschaftsprogramm von insgesamt mehr als eine Billion Euro aufgelegt.infoSiehe dazu auch Tabelle Corona-Maßnahmen in diesem Wochenbericht. Dabei besteht ein Großteil der Maßnahmen aus Garantien, Krediten und Beteiligungen des Bundes und der Länder. Für Unternehmen aller Größen stellt der Bund Kredite in unbegrenzter Höhe zur Verfügung. Dabei unterstützt er Unternehmen mit Hilfe eines Bürgschaftsprogramms im Umfang von 460 Milliarden Euro, das im Notfall schnell um 93 Milliarden Euro aufgestockt werden kann („Kredit-Bazooka“). Darüber hinaus wurden für alle Unternehmen steuerliche Liquiditätshilfen angeboten, die im wesentlichen Steuerstundungen, Verlustvorträge und Herabsetzungen von Vorauszahlungen beinhalten und sich basierend auf der Steuerschätzung vom Mai 2020 auf rund 20 Milliarden Euro belaufen dürften. Auch die Regelungen zum Kurzarbeitergeld wurden liquiditätsfördernd umgestaltet. So dürfen Unternehmen bereits bei einem Produktionsausfall von zehn Prozent der Belegschaft Kurzarbeitergeld beantragen. Zudem übernimmt der Bund bei vollständigem Beschäftigungsausfall zwischen 60 und 80 Prozent (abhängig von der Anzahl der Kinder und Dauer der Kurzarbeit) der Lohnfortzahlung sowie die Sozialbeiträge.

Tabelle 2: Finanzpolitische Maßnahmen

Belastungen (–) und Entlastungen (+) des gesamtstaatlichen Haushalts in Milliarden Euro gegenüber Vorjahr

2020 2021 2022
Einnahmen der Gebietskörperschaften2
Teilabschaffung Soli −9,8 −0,7
Alterseinkünftegesetz −1,3 −1,3 −1,3
Mehreinnahmen durch steigende Rentenbesteuerung 0,4 0,4 0,4
Erhöhung Grund-, Kinderfreibetrag, Verschiebung Tarifeckwerte/Familienentlastungsgesetz −4,5 −0,8
Jahressteuergesetz 2019 −0,3 −0,2 −0,2
Turnusmäßige Anhebung der Freibeträge in der Einkommensteuer/Abbau kalte Progression 2021 −3,1
Sonstige steuerliche Maßnahmen −5,2 −1,1 −0,5
Steuerliche Absetzbarkeit Erhöhung des PV-Beitrags −0,3 −0,2
Steuerliche Förderung von F&E-Ausgaben −0,1 −1,2 −0,1
Steuerliche Förderung Mietwohnungsneubau −0,1
Bürokratieentlastungsgesetz −0,1
Paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung 0,3 0
CO2-Bepreisung in Verkehr und Wärme (Beschluss des Klimakabinetts) 8,7
Anhebung Luftverkehrsabgabe 0,1 0,5 0,1
Zusätzliche Maßnahmen (Beschluss des Klimakabinetts) 0,0 −0,3
Einnahmen der Sozialversicherungen
Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung 0 2,0
Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,1 Prozentpunkt zum 1. Januar 2020 −1,2 0 1,2
Ausweitung der Gleitzone (Midijobs) zum 1. Juli 2019 −0,2 0 0
Einführung eines Freibetrags in der gesetzlichen Krankenversicherung für Betriebsrentner zum 1. Januar 2020 −1,2 0 0
Ausgaben der Gebietskörperschaften
Kindergelderhöhung um 10 beziehungsweise 15 Euro zum 1. Juli 2019 und 1. Januar 2021 −1,0 −2,8
Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung −0,3 0
Einsparungen bei ALG II durch das Familienentlastungsgesetz beziehungsweise Kindergeldanhebung 0,1 0,2
Gute KiTa-Gesetz −0,5 −1 0,5
Beihilfen aufgrund von Ernteausfällen von Bund und Ländern 0,2 0
„Bauernmilliarde“ −0,3 0
Baukindergeld (inkl. Bayerische Eigenheimzulage und Baukindergeld Plus) −0,5 −0,1
Erhöhung des Wohngelds (einschließlich Klimapaket) −0,2 −0,4
Starke-Familien-Gesetz/Kinderzuschlag −0,6 0
Aufstockung des BAFöG, Aufstiegsfortbildung in der beruflichen Bildung −0,4 −0,2
Teilhabechancengesetz −0,3 0
Angehörigenentlastungsgesetz −0,3 0
Familiengeld (und Kindergartenzuschuss) in Bayern −0,1 0
Verteidigung −1 0 2
Mehrausgaben für Entwicklungshilfe −0,2 0,7
Mehrpersonal innere Sicherheit −0,3 −0,3 0
investive Ausgaben GroKo 2018 −5,91 −10,80 −1,40
sonstige investive Ausgaben3 −1,0 0,5 0,5
Ausgaben der Sozialversicherungen
Gesetz für fairen Kassenwettbewerb in der GKV −0,3 0 0
Arbeit-von-morgen-Gesetz −0,2 −0,2 0
Qualifizierungschancengesetz (Arbeitslosenversicherung) −0,4 0 0
Anpassung der Renten Ost −0,5 −0,4 −0,4
Erhöhung der Zurechnungszeit der Erwerbsminderungsrente −0,1 −0,1 −0,1
Grundrente 0 −1,5 0
Konzertierte Aktion Pflege −0,2 −0,4 0
Pflegepersonalstärkungsgesetz −0,5 −0,4 0
Terminservice- und Versorgungsgesetz −0,1 −0,6 0,0
Insgesamt −28,3 −25,2 −1,1
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent −0,8% −0,7% 0,0%

1 Ohne makroökonomische Rückwirkungen.

2 Die Wirkungen der Steuerrechtsänderungen beziehen sich auf das Kassenjahr.

3 Investive Maßnahmen aus vergangenen Legislaturperioden.

Quellen: Bundesregierung, Bundesministerium der Finanzen; DIW Herbstgrundlinien 2020.

Neben den Hilfsmaßnahmen für Unternehmen jeder Größe hat die Bundesregierung zudem größenspezifische Maßnahmenpakete geschneidert. Große Unternehmen werden durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds unterstützt, der ein weiteres Bürgschaftsprogramm in Höhe von 400 Milliarden Euro, Kredite und Beteiligungen in Höhe von jeweils 100 Milliarden beinhaltet. KleinstunternehmerInnen und Solo-Selbstständige werden mit Hilfe eines Solidaritätsfonds in Höhe von rund 50 Milliarden Euro vom Bund unterstützt sowie in Form von Einzelprogrammen der jeweiligen Länder in Höhe von rund 20 Milliarden Euro. Darüber hinaus unterstützt der Staat einzelne betroffene Gruppen, beispielsweise alleinerziehende Eltern, mit kleineren Hilfsmaßnahmen.

Neben den Rettungsmaßnahmen für die Wirtschaft hat der Bund in Erwartung eines starken Anstiegs von Corona-PatientInnen zudem die Kapazitäten im Gesundheitssektor erhöht und medizinisches Equipment in Höhe von rund dreieinhalb Milliarden Euro gekauft. Infolge der gezielten Freihaltung von Betten und Verschiebung von Operationen und Behandlungen sind den Krankenhäusern zudem Milliardenverluste entstanden, die der Bund ausgleicht.

Die Hilfspakete und Garantien werden in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 durch ein Konjunkturprogramm flankiert. Das Konjunkturprogramm besteht aus drei Einzelpaketen: Einem Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket (77 Milliarden Euro), einem Zukunftspaket (50 Milliarden Euro) und einem Paket für europäische und internationale Verantwortung (drei Milliarden Euro). Davon dürfte insbesondere das Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket im Jahr 2020 impulswirksam sein. Dieses enthält unter anderem die Mehrwertsteuerreduktion bis zum Ende des Jahres, Steuerstundungen, degressive Abschreibungen, die Ausdehnung des auslaufenden Soforthilfeprogramms auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU), aber auch Entlastungen der Kommunen bei der Gewerbesteuer sowie einen Kinderbonus in Höhe von einmalig 300 Euro pro Kind, der im zweiten Halbjahr 2020 ausgezahlt wird. Aber auch investive Ausgaben dürften schon im laufenden Jahr die Wirtschaft anschieben, denn der Bund plant Investitionen in Höhe von rund drei Milliarden Euro vorzuziehen, darunter in erster Linie solche in militärische Ausrüstungen und Produkte zur Unterstützung des Digitalisierungsstrategie.

Ein Großteil der weiteren investiven Maßnahmen wird im Zukunftspaket des Konjunkturprogramms zusammengefasst und – abgesehen von ihrer Signalwirkung – erst in den nächsten Jahren wirksam. Es enthält insbesondere investive Ausgaben, die eine Modernisierung der volkswirtschaftlichen Infrastruktur in den Bereichen Klimaschutz, Mobilität und Digitalisierung anstoßen sollen. So ist der Energie- und Klimafonds mit rund 25 Milliarden Euro für zukünftige Investitionen ausgestattet.

Neben den investiven Ausgaben dürften im nächsten und übernächsten Jahr auch die gestundeten Steuern zum Teil wieder zurückfließen und damit tendenziell kontraktiv wirken. Auch die kurzzeitige Mehrwertsteuerreduktion wird wohl die gewünschte zeitliche Verschiebung von Konsum bewirken, mit dem Nachteil, dass für das Jahr 2021 ein kontraktiver Impuls zu erwarten ist.

Allerdings ist die Unsicherheit bezüglich des tatsächlichen zukünftigen Abflusses von Mitteln aus dem Hilfs- und Konjunkturprogramm hoch. So musste aktuell die Antragspflicht für die Überbrückungshilfe nochmals verlängert werden, da ein Großteil der hier veranschlagten Mittel noch nicht abgerufen wurden. In jedem Fall expansiv wirken aber die angesichts der coronabedingten Maßnahmen vergleichsweise bescheidenden Mindereinnahmen für die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die Mehrausgaben für die Grundrente. Beides wirkt allerdings anders als die Corona-Maßnahmen dauerhaft.

Arbeitsmarkt: Kurzarbeit statt Stellenabbau

Die Corona-Krise schlägt besonders drastisch auf den Arbeitsmarkt durch. Da in vielen Bereichen zumindest zeitweilig kaum mehr wirtschaftliche Aktivität möglich war, mussten Unternehmen den Arbeitseinsatz massiv reduzieren. Zum Teil können solche Schwankungen aufgefangen werden, indem die Arbeitszeit der Belegschaft angepasst wird, etwa durch Verzicht auf Überstunden und den Abbau zuvor gefüllter Arbeitszeitkonten. Durch Kurzarbeit steht den Unternehmen ein zusätzliches Instrument zur Verfügung, mit dem sich die Arbeitszeit erheblich senken lässt – und das zudem den Lohnausfall der Beschäftigten durch Sozialleistungen abfedert. Wird der Anpassungsbedarf dennoch zu groß oder sehen die Unternehmen auch auf mittlere Sicht kaum Aussicht auf Besserung, müssen MitarbeiterInnen entlassen werden.

Der Beschäftigungsaufbau der vergangenen Jahre hatte sich bis zum Jahresbeginn fortgesetzt, wenn auch mit abnehmendem Tempo. Die Corona-Krise hat dies abrupt beendet: Bereits ab März ist die Zahl der ArbeitnehmerInnen gesunken – in der Summe bis Juli um über eine 750 000, obwohl die Unternehmen massiv von Kurzarbeit Gebrauch gemacht haben, um weitere Entlassungen zu vermeiden. Die kräftige Erholung im laufenden Quartal dürfte viele Arbeitgeber veranlassen, ihre Belegschaft zu einem guten Teil aus der Kurzarbeit zurückzuholen. Erst mit deutlich rückläufigen Kurzarbeitszahlen (Abbildung 3) dürfte – etwa ab Frühjahr kommenden Jahres – wieder verstärkt eingestellt werden. Im Jahresdurchschnitt ergibt sich für dieses Jahr ein Rückgang um 430 000 Erwerbstätige und – ausgehend von dem aktuell niedrigen Niveau – für das kommende Jahr sogar noch ein leichter Rückgang. Im darauffolgenden Jahr steigt die Beschäftigung im Jahresdurchschnitt um 380 000 Personen und dürfte zum Jahresende 2022 sogar wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen.

Die Rückführung der Kurzarbeit geht einher mit einem merklichen Anstieg des Arbeitsvolumens. Aber auch die Arbeitszeit der regulär Beschäftigten dürfte ausgeweitet werden, nachdem diese im zweiten Quartal ebenfalls deutlich reduziert worden war. Die Entlohnung auf Stundenbasis war deswegen erheblich gestiegen. Im Zuge der Gewinneinbrüche bei den Unternehmen in diesem Jahr dürften niedrigere Tarifabschlüsse diejenigen mit zuvor höheren Lohnzuwächsen ablösen, die effektiven Lohnsteigerungen werden sich somit nach und nach merklich abschwächen. Je ArbeitnehmerIn gerechnet sinken die Löhne in diesem Jahr sogar – um fast ein Prozent – da der enorme Umfang an Kurzarbeit mit entsprechenden Gehaltseinbußen einhergeht. Im kommenden Jahr steigen die Monatslöhne entsprechend des merklichen Rückgangs der Kurzarbeit deutlich, um viereinhalb Prozent. Dies setzt sich im Jahr 2022 bei nahezu so kräftigem Zuwachs des Arbeitsvolumens – bis etwa auf das Vorkrisenniveau – und etwas höheren Stundenlöhnen leicht abgeschwächt fort.

Privater Verbrauch: Krise wirkt nach

Die Eindämmung der Pandemie hat harte Einschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenlebens gefordert. Seit dem Frühjahr waren und sind viele Aktivitäten untersagt, etwa Großveranstaltungen und vorübergehend auch Restaurantbesuche. Dies hat den Konsum merklich gebremst – zuletzt lag er 13 Prozent unter dem Vorkrisenniveau.

In diesem Zusammenhang haben die Privathaushalte in erheblichem Umfang gespart: Die Sparquote hat sich im zweiten Quartal von ihrem vorherigen Niveau aus nahezu verdoppelt. Dieses Geld kann nun nach und nach ausgegeben werden. Während allerdings viele Aktivitäten im Zuge der Lockerungen wieder möglich sind, bleiben einige weiterhin eingeschränkt, werden von den Menschen zum Schutz vor Infektionen gemieden oder sind unter den Maßgaben des Infektionsschutzes unattraktiv. Dies ändert möglicherweise bekannte Konsummuster und dürfte sich zunächst bremsend auf den Verbrauch auswirken. Schon allein deswegen dürften die angesparten Mittel nicht sofort für zusätzlichen Konsum genutzt werden – zumal viele der unterlassenen Tätigkeiten nur begrenzt nachgeholt werden (können). Auch dürfte die Verunsicherung der VerbraucherInnen nachwirken – so zeigt etwa die EU-Umfrage zum Verbrauchervertrauen eine anhaltend große Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes an. Alles in allem wird die Sparquote wohl nur nach und nach wieder auf ihren Vorkrisenwert sinken. Doch das allein schon würde den privaten Verbrauch ankurbeln. Und merkliche Impulse kommen vom Arbeitsmarkt: Mehr und mehr Personen kommen (zurück) in eine reguläre Beschäftigung und die Lohneinkommen steigen, auch angesichts der konjunkturellen Erholung.

Vor allem wegen der Rücknahme der Kurzarbeit weiten sich die Bruttolöhne und -gehälter deutlich aus. Im Durchschnitt sinken sie dieses Jahr zwar um 1,6 Prozent, in den kommenden beiden Jahren fallen die Zuwächse aber mit jeweils etwa fünf Prozent kräftig aus. Zudem gehen die geringeren Lohneinkommen in diesem Jahr mit geringeren Lohnsteuern und Sozialbeiträgen einher; dadurch fällt die Lohnsumme netto kaum.

Hinzu kommt, dass die Lohnausfälle der KurzarbeiterInnen durch das Kurzarbeitergeld teils kompensiert werden. Die monetären Sozialleistungen nehmen in der Folge in diesem Jahr rasant zu und steigen trotz dieser Ausweitung auch in den beiden kommenden Jahren, dann aber mit deutlich geringeren Raten. Alles in allem gelingt es der Politik, trotz der schärfsten Rezession der Nachkriegszeit die Masseneinkommen zu stabilisieren. Sie steigen dieses Jahr zwar deutlich gebremst, mit 2,8 Prozent aber dennoch merklich.

Die wegbrechenden Einkommen aus Selbstständigkeit und aus Vermögen führen jedoch dazu, dass die verfügbaren Einkommen der Haushalte in diesem Jahr sinken. In den kommenden Jahren erholen sie sich merklich. Durch die Absenkung der Mehrwertsteuer wird die Kaufkraft der Haushalte dieses Jahr zudem für sich genommen zusätzlich angeschoben.

Alles in allem bleibt beim privaten Konsum nach dem Einbruch im zweiten Quartal auch im Jahresdurchschnitt 2020 ein deutliches Minus von 7,9 Prozent. Bereits im kommenden Jahr fällt der Zuwachs aber mit 5,5 Prozent kräftig aus; zum Jahreswechsel 2021/22 wird der Konsum wieder so hoch sein wie vor der Krise. Jahresdurchschnittlich steigt er auch 2022 kräftig, um knapp vier Prozent.

Ausrüstungsinvestitionen: Vorsichtige Zuversicht nach beispiellosem Einbruch

Nachdem die Anschaffungen von Maschinen, Fahrzeugen und Geräten im ersten Quartal dieses Jahres bereits empfindlich zurückgegangen waren, zeigten sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Einschränkungen im zweiten Quartal erst besonders stark. Die Ausrüstungsinvestitionen brachen gegenüber dem Vorquartal um 19,6 Prozent ein und damit um noch einmal über zweieinhalb Prozentpunkte mehr als während der kritischen Phase der Finanzkrise (erstes Quartal 2009: -16,9 Prozent). Die enorme wirtschaftliche Unsicherheit sorgte für erhebliche Auftrags- und Umsatzrückgänge über alle Branchen hinweg, während die Lockdown-Maßnahmen zusätzlich zu Produktionseinschränkungen führten. Besonders betroffen war die Automobilindustrie, die allein zwischen März und April ihre Produktion um 76 Prozent zurückfuhr und im selben Zeitraum einen inländischen Umsatzrückgang von knapp 60 Prozent hinnehmen musste.

Mit der zunehmenden gesamtwirtschaftlichen Erholung und der schrittweisen Wiederaufnahme der Produktion ist im laufenden Quartal mit einer deutlichen Erholung der Ausrüstungsinvestitionen zu rechnen nicht zuletzt, da aufgeschobene Investitionen nun zumindest teilweise nachgeholt werden. Bereits im Mai und Juni ließ sich eine klare Verbesserung der allgemeinen Auftragslage erkennen. Konjunkturindikatoren deuten in allen Branchen auf wachsende Zuversicht der Akteure hin; Geschäftsklimaindizes klettern und die Geschäftslage wird zunehmend positiv bewertet. Dazu dürfte auch das beherzte Eingreifen der Bundesregierung beitragen, das die Liquidität der Unternehmen gesichert hat und das Ausmaß der herrschenden Unsicherheit reduzieren konnte. Insbesondere die Automobilindustrie verzeichnet nach dem starken Einbruch deutliche Aufholprozesse, da die angestaute Nachfrage auch im gewerblichen Bereich nun vielerorts in Kaufentscheidungen mündet. Bei den Maschinen- und Anlageherstellern sowie den elektronischen Geräten ist derweil noch Zurückhaltung zu spüren.

Die steigende Zuversicht sowie die kräftigen Impulse aus staatlicher Hand deuten auf einen recht dynamischen Verlauf der Investitionstätigkeit über den Prognosezeitraum hin, der sich allerdings abschwächen dürfte, wenn sich der aktuelle Investitionsstau aufgelöst hat. Zwar rechnen die Investitionsgüterhersteller mittelfristig mit Umsatzzuwächsen und einer positiven Entwicklung, allerdings dürfte die nach wie vor angespannte Lage im Welthandel und die Unsicherheit über die Entwicklung der Pandemie ganz große Sprünge bis auf weiteres verhindern. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob die Wiedereinführung der Insolvenzmeldepflicht eine Insolvenzwelle nach sich zieht, die die inländische Nachfrage nach Investitionsgütern erneut bremsen könnte.

Bauinvestitionen: Verzögerte Auswirkungen der Pandemie bremsen den Aufschwung

Die Auswirkungen der Corona-Krise waren für die Bauwirtschaft bis zuletzt vergleichsweise gering. Zwar gingen die Investitionen im zweiten Quartal in allen Sparten zurück, dies dürfte jedoch in weiten Teilen durch den witterungsbedingt starken Jahresauftakt und die folgende Gegenbewegung geprägt gewesen sein. Gleichwohl ließ sich eine deutliche Investitionszurückhaltung beobachten und der für den Frühsommer typische Aufschwung blieb aus. Besonders im Wirtschaftsbau verzeichneten die Bauunternehmen eine rückläufige Nachfrage. Die Produktion war unterdessen stabil und blieb von den Lockdown-Maßnahmen weitgehend verschont. Während sich die Gesamtwirtschaft jedoch allmählich erholt, zeigen sich im Bau nun verzögerte Auswirkungen der Pandemie, die die Dynamik auch im laufenden Quartal noch bremsen dürften.

Die Stabilisierung der Haushaltseinkommen durch die Maßnahmen der Bundesregierung dürfte die Nachfrage im Wohnungsbau erheblich gestützt haben (Kasten 3). Dennoch lässt sich auch hier eine deutlich verringerte Aktivität beobachten, die sich in verhaltenen Neuaufträgen und in der Folge in einer geringeren Kapazitätsauslastung äußert. Besonders im Ausbaugewerbe zeigten sich jüngst deutlich rückläufige Produktionszahlen. Grund für die Zurückhaltung wird nicht zuletzt die derzeitige Unsicherheit unter den privaten Haushalten sein, die die Bereitschaft zu größeren Investitionen mindert und zum Aufschub von Bauprojekten führt. Ein zusätzliches Hemmnis sind dabei wohl auch die deutlich verschärften Kreditstandards, die die Finanzierung erschweren. Insbesondere die Beleihungsquoten wurden jüngst abgesenkt.infoVgl. Europäische Zentralbank (2020): The euro area bank lending survey – Second quarter of 2020 (online verfügbar, abgerufen am 4. September 2020. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Da darüber hinaus die Mehrwertsteuersenkung aufgrund der zeitverzögerten Abrechnung wohl kaum Effekte im Baugewerbe zeigen wird, ist für das aktuelle Quartal mit einem leichten Rückgang der Wohnungsbauinvestitionen zu rechnen. Angesichts des weiterhin hohen Bedarfs an Wohnraum wird dieser Abwärtstrend jedoch nicht von langer Dauer sein. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Erholung und abnehmenden Unsicherheit dürfte sich die Dynamik in den kommenden Monaten umkehren und im nächsten Jahr wieder deutlich an Fahrt aufnehmen (Tabelle 3).

Tabelle 3: Reale Bauinvestitionen

Konstante Preise, Veränderung in Prozent

2019 2018 2019 2020 2021 2022
Anteile in Prozent Veränderungen gegenüber dem Vorjahr
Wohnungsbau 60,8 3,0 4,0 2,9 0,7 2,8
Nichtwohnungsbau 39,2 1,9 3,5 2,1 1,3 2,9
Gewerblicher Bau 26,8 1,1 2,4 0,7 −0,1 2,6
Öffentlicher Bau 12,34 3,9 6,0 5,3 4,0 3,3
Bauinvestitionen 100,0 2,6 3,8 2,6 0,9 2,8
Ausrüstungen 4,4 0,5 −19,1 6,7 8,1

Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Herbstgrundlinien 2020.

Im Durchschnitt rund ein Drittel ihrer Ausgaben verwenden die privaten Haushalte für die Kosten des Wohnens – Miete, Energiekosten, Ausgaben für Wohnungsbaukredite oder die Instandhaltung. Diese Ausgaben können kurzfristig nicht angepasst werden. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass sich ein starker wirtschaftlicher Einbruch, wie derzeit zu beobachten ist, in erheblichen Zahlungsschwierigkeiten der privaten Haushalte und nachgelagert bei VermieterInnen äußert. Entsprechende Schwierigkeiten können zu einer weiteren Destabilisierung führen und bei Kreditausfällen in größerem Umfang eine Krise im Bankensektor auslösen. Um dies zu verhindern, hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen beschlossen, die einerseits Kündigungen aufgrund von Mietrückständen ausschließen und andererseits Zahlungsschwierigkeiten verhindern sollen. Zentrale Instrumente sind dabei der vereinfachte Zugang zu Wohngeld sowie Grundsicherung. Gleichzeitig steht mit dem Kurzarbeitergeld ein Instrument zur Verfügung, das die Einkommen der abhängig Beschäftigten erheblich stabilisiert. Berichten von Vermieterverbänden zu Folge wurden die Möglichkeiten zur Stundung von Mietzahlungen bislang nur in sehr geringem Umfang in Anspruch genommen.infoVgl. beispielsweise GdW (2020): Wohnungswirtschaft bleibt trotz Corona-Krise verlässliche Partnerin ihrer Mieter und Stabilitätsanker für die Wirtschaft. Pressemitteilung vom 1. Juli (online verfügbar).

Ebenso wie die Wohnungsmieten konnten auch Zins- und Tilgungsraten für Verbraucherdarlehen per gesetzlichem Moratorium zwischen April und Juni gestundet werden. Gleichzeitig wurde die Meldepflicht für Banken, gestundete Kredite zu deklarieren, bis zum Ende des dritten Quartals ausgesetzt. Erst dann wird sich zeigen, in welchem Umfang tatsächlich von der Möglichkeit zur Aussetzung der Raten Gebrauch gemacht wurde. Derweil deuten erste Zahlen zwar auf tausende Stundungsanträge hin, insgesamt beläuft sich die beantragte Summe wohl aber auf einen nur geringen Anteil des gesamten Kreditportfolios.infoBeispielsweise meldete die Deutsche Bank im Juli 70 000 Stundungsanträge. Die Commerzbank verzeichnete 32 500 Anträge, davon 14 000 im Bereich der Baufinanzierung, entsprechend einer Ausfallkredithöhe von 1,9 Milliarden Euro (2,1 Prozent des Portfolios), vgl. Commerzbank (2020): Revenue rebound in Q2 – costs and capital on track. Analyst conference – Q2 2020 results. Präsentation zum Zwischenbericht vom 5. August 2020 (online verfügbar). Dabei dürften vor allem die Stabilisierung der Haushaltseinkommen und der verbesserte Zugang zu staatlicher Unterstützung durch Kredite und andere Leistungen Ausfälle in größerem Umfang bis auf weiteres verhindert haben. Obwohl bei der Zuversicht noch Vorsicht geboten ist, sollten diese Maßnahmen auch einer verspäteten Ausfallwelle bei den Baufinanzierungskrediten entgegenwirken.

Wenngleich die Ausfallraten sowie die RisikovorsorgeposteninfoSo erhöhte beispielsweise die Deutsche Bank im zweiten Quartal ihre Risikovorsorge im privaten Kreditgeschäft um lediglich 86 Millionen Euro auf 31 Basispunkte (annualisiert) des Kreditvolumens, das zu etwa 60 Prozent aus deutschen Wohnimmobilienkrediten besteht, vgl. Deutsche Bank (2020): Q2 2020 Results, Präsentation zum Zwischenbericht 29. Juli 2020 (online verfügbar). Das Risikoergebnis der Commerzbank, deren Baufinanzierungsgeschäft 84 Mrd. Euro umfasst, belief sich auf 313 Mio. Euro, vgl. Commerzbank (2020): Revenue rebound in Q2 – costs and capital on track. Analyst conference – Q2 2020 results. Präsentation zum Zwischenbericht, 5. August 2020 (online verfügbar). der Banken auf niedrigem Niveau blieben, zogen Kreditinstitute die Standards für Immobilienkredite im zweiten Quartal deutlich an. Im Bank Lending Survey der Europäischen Zentralbank gaben per saldo 21 Prozent der Banken an, ihre Kreditrichtlinien für die Gewährung von Wohnungsbaukrediten im Vergleich zum Vorquartal verschärft zu haben (Abbildung 1). Dabei spielte vor allem die Risikowahrnehmung eine zentrale Rolle. Während die Einschätzung der wirtschaftlichen Aussichten und des Wohnimmobilienmarktes in den vergangenen Jahren weitgehend konstant war, stieg der Anteil der Banken, die das Risiko als bedeutsam einschätzten, nun deutlich an: Ein Nettoanteil von 25 Prozent gab an, im zweiten Quartal aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage und damit verbundenen Risiken die Kreditrichtlinien verschärft zu haben. Auch die Kreditwürdigkeit der KreditnehmerInnen und die Aussichten auf dem Wohnimmobilienmarkt wurden vermehrt als Risikoquellen genannt. Zusätzlich reduzierte sich die Risikotoleranz der Banken. Der Anteil abgelehnter Kreditanträge nahm zu.

Nicht nur die Vergaberichtlinien, auch die Bedingungen für neu geschlossene Kreditverträge zogen merklich an – insbesondere bei der Beleihungsquote und den Sicherheiten gaben die Banken an, die Anforderungen angehoben zu haben. Dies wurde ebenfalls mit der Einschätzung und Toleranz des Risikos begründet.infoVgl. Deutsche Bundesbank (2020): Bank Lending Survey des Eurosystems, Ergebnisse für Deutschland, Nettoanteile (online verfügbar).

Trotz der verschärften Kreditbedingungen und der unsicheren wirtschaftlichen Umstände ist bei der Geschäftsentwicklung der Baufinanzierungskredite zuletzt kein Abbruch zu erkennen. Im Gegenteil, in den Bilanzen der Banken nahmen die Volumina für Wohnimmobilienkredite im zweiten Quartal deutlich zu. Damit setzt sich ein Aufwärtstrend fort, der seit dem Ende der Finanzkrise kontinuierlich an Fahrt aufgenommen hat und sich auch von der Corona-Pandemie bis jetzt unbeeindruckt zeigt (Abbildung 2).

Dabei profitieren die Haushalte weiterhin vom niedrigen Zinsumfeld – zwar stagnierte der Abwärtstrend hier im ersten Halbjahr, die Zinsen für Wohnungskredite bleiben jedoch für alle Laufzeiten auf historisch niedrigem Niveau. Auch deutet sich nur ein geringer Anstieg im Risikoaufschlag an, gemessen an der Marge zu den Renditen zehnjähriger Bundesanleihen (Abbildung 3).

Insgesamt zeigt sich der Wohnimmobilienmarkt trotz des schweren gesamtwirtschaftlichen Einbruchs in stabiler Verfassung. Zwar haben die Banken mit strengeren Kreditstandards auf die veränderte gesamtwirtschaftliche Lage reagiert. Weder das Kreditgeschäft ist allerdings signifikant rückläufig, noch sind die Risikoprämien für Wohnungsbaukredite gestiegen. Dies dürfte auch daran liegen, dass es bislang nicht zu Ausfällen bei den Mietzahlungen in größerem Umfang gekommen ist. Auch die Kredite werden weiterhin bedient. Unter dem Strich zeigt sich, dass die getroffenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Einkommen der Haushalte auch in einer entsprechenden Stabilisierung des Wohnungsmarkts münden.

Das größere Sorgenkind der Bauwirtschaft ist unterdessen der gewerbliche Bau – in diesem Bereich sind die Aufträge in den vergangenen Monaten empfindlich zurückgegangen. Eine Erholung ist kurzfristig nicht in Sicht; verminderte Kapazitätsauslastungen im verarbeitenden Gewerbe und das weiterhin weit verbreitete Home-Office senken die Rentabilität von Investitionen in neue Fabrik- und Lagergebäude sowie Büroflächen zumindest vorübergehend. Dank der vollen Auftragsbücher zu Jahresbeginn blieben die Umsätze im Wirtschaftsbau im zweiten Quartal zwar noch stabil, in den kommenden Monaten werden sich die Auswirkungen der Investitionszurückhaltung aber bemerkbar machen. Zusätzlich hemmt, trotz steigender Zuversicht, die bleibende Unsicherheit über wirtschaftliche Entwicklungen im In- und Ausland den Anstoß neuer längerfristiger Projekte. Erst wenn sich die Lage weiter stabilisiert hat und Unternehmen eine deutliche Erholung der (Welt-)Wirtschaft beobachten, ist damit zu rechnen, dass diese wieder größere Bauvorhaben anstoßen.

Positive und stabilisierende Impulse sind derweil vom öffentlichen Bau zu erwarten. Die im Konjunkturpaket beschlossenen Maßnahmen zur Unterstützung der Kommunen, etwa durch die Übernahme von Kosten und den Ausgleich fehlender Steuereinnahmen, bieten Spielräume, Bauprojekte zu planen und voranzubringen. Der veranschlagte Ausbau von Infrastruktur sollte darüber hinaus die Aktivität im Tiefbau stimulieren. Allerdings deutet sich in den aktuellen Produktionszahlen an, dass diese Impulse nur zögerlich gegeben werden, sodass erst im kommenden Jahr ein stärkerer Auftrieb zu erwarten ist.

Die schwächere Nachfrage und geringere Kapazitätsauslastung haben den Preisauftrieb in den vergangenen Monaten deutlich gebremst und werden diesen auch im weiteren Verlauf verlangsamen. Unterstützt wird die zögerliche Preisentwicklung durch die weiterhin geringe Energiepreisbelastung aufgrund niedriger Ölpreise.

Außenhandel: Erholung in Sicht

Infolge der Corona-Pandemie brach im Frühjahr binnen weniger Wochen die Wirtschaftsleistung fast überall auf der Welt ein. Sie verringerte sich sogar noch deutlich stärker als während der globalen Finanzkrise von 2008/09. Entsprechend stark wurde der Welthandel in Mitleidenschaft gezogen (Kasten 4). Die Einbußen fielen regional unterschiedlich stark aus, je nach Ausmaß und Dauer der ergriffenen Maßnahmen. So traf es das Vereinigte Königreich stärker als die USA oder Japan. Ein Lichtblick stellt China dar, das im zweiten Quartal die starken Verluste vom Jahresanfang bereits wieder wettmachen konnte. Insgesamt wurde die deutsche Exportwirtschaft empfindlich von den weltweiten Verwerfungen in Mitleidenschaft gezogen: Im zweiten Quartal fielen die deutschen Ausfuhren um ein Fünftel auf ein Niveau, auf dem sie zuletzt 2011 lagen.

Um eine modellbasierte Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung am aktuellen Rand für jede Verwendungskomponente des Bruttoinlandsprodukts zu erstellen, sollte möglichst vielen relevanten Einflussfaktoren Rechnung getragen werden. Aus diesem Grund übersteigt in der Praxis die Zahl der vorliegenden Indikatorvariablen für die jeweilige Verwendungskomponente bei weitem die Anzahl der Variablen, die aus statistischen Gründen in traditionelle Eingleichungsmodelle aufgenommen werden können. Die Prognosen des DIW Berlin beruhen deshalb auf den Vorhersagen aus zwei Modellklassen, die durch die Möglichkeit zur Aufnahme einer hohen Anzahl erklärender Variablen charakterisiert sind. Einerseits kommen Faktormodelle zur Prognose der Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsprodukts zur Anwendung. Andererseits werden die Verwendungskomponenten mit sogenannten Model-Averaging-Ansätzen prognostiziert (Abbildung).

Generell zeigen die Modelle eine deutliche Erholung im dritten Quartal an. Sie bleiben aber hinter den Zuwächsen zurück, die sich aktuell abzeichnen – wohl, weil derart starke Schwankungen bislang nicht eingetreten sind und insbesondere die verwendeten Indikatoren dies nicht adäquat abbilden können. Für das Bruttoinlandsprodukt wird indes ein Anstieg in der prognostizierten Größenordnung angezeigt. Dazu tragen alle Verwendungsaggregate und entstehungsseitig sowohl die sich erholenden Dienstleister als auch die Industrie bei. Für kräftige Zuwächse bei letzterer spricht die seit Monaten rasant anziehende Industrieproduktion, wenngleich sie zuletzt deutlich an Fahrt verloren hat. Insgesamt hat sich auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft merklich aufgehellt.

Beim privaten Konsum fallen die Modellergebnisse vergleichsweise verhalten aus. Tatsächlich liegen die Einzelhandelsumsätze zum Quartalsauftakt nur knapp zwei Prozent höher als im zweiten Quartal und auch die Verbraucherstimmung bessert sich nur allmählich, vor allem die Sorge vor einem Arbeitsplatzverlust hält an. Allerdings dürften zuletzt nicht verausgabte Mittel nun wieder vermehrt für den Konsum genutzt werden: Die astronomisch hohe Sparquote wird deutlich sinken.

Die Ausrüstungsinvestitionen dürften deutlich zulegen. Die von den Modellen angezeigten Zuwächse streuen aber breit. Nicht nur die Modellunsicherheit ist hoch, auch die immense wirtschaftliche Unsicherheit dürfte nachwirken; dies spricht für eher verhaltene Zuwächse bei den Investitionen. Die Bauinvestitionen dürften bestenfalls stagnieren, insbesondere die zuletzt eingebrochene Bauproduktion legt einen Rücksetzer im dritten Quartal nahe. Die Lagebewertung und auch die Erwartungen an die zukünftige Geschäftsentwicklung bleiben weiterhin weit überwiegend positiv.

Auch beim Außenhandel ist die Modellsicherheit hoch. Bei den Exporten zeichnet sich jedoch ein kräftiges Plus ab: Die Warenausfuhren sind in den vergangenen drei Monaten stetig mit hohem Tempo ausgeweitet worden und die Exporterwartungen des verarbeitenden Gewerbes sind im Juli und August wieder mehrheitlich optimistisch ausgefallen. Die Importe indes konnten sich nur vergleichsweise verhalten erholen. Immerhin hat zuletzt die Produktion in der Vorleistungsgüterindustrie angezogen – ein Indiz dafür, dass auch entsprechende Einfuhren zulegen werden.

In den Monaten Mai bis Juli konnten sich die deutschen Exporte aber bereits wieder deutlich erholen. Europa, und hier insbesondere der Euroraum, nahmen verstärkt deutsche Erzeugnisse ab. Vor allem Investitionsgüter erlebten nach den deutlichen Einbrüchen im Frühjahr wieder Konjunktur: Die Ausfuhr von Kraftwagen und -teilen konnte sich von April auf Mai sogar verdoppeln. Hier deutet sich der zu erwartende Trend für das zweite Halbjahr an. Die einsetzende Erholung des Welthandels dürfte dafür sorgen, dass nach den herben Verlusten erheblich Boden gutgemacht wird. Nachholeffekte und andauernde staatliche Stützungsmaßnahmen sollten insbesondere in den Industrieländern einen beträchtlichen Teil der unmittelbaren Einkommensverluste abfedern und so vor allem die Importnachfrage nach Konsumgütern weiter stützen. Die hohen Zuwachsraten dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ausfuhren noch geraume Zeit brauchen werden, bis sie ihr Vorkrisenniveau erreicht haben – gerade, weil andere Länder stärkere Wirtschaftseinbrüche hinnehmen müssen und insbesondere die Investitionsgüter im Verlauf nur verhalten nachgefragt werden. Hinzu kommt, dass im außenwirtschaftlichen Umfeld weiterhin diverse Unsicherheiten lauern. So hat sich der Ton im Handelskonflikt zwischen den USA und China zuletzt wieder verschärft. Und auch das bevorstehende Ende der Übergangsphase nach dem Brexit wirft angesichts der ins Stocken geratenen Verhandlungen über ein Handelsabkommen unheilvoll seine Schatten voraus. Das Risiko weiterer Turbulenzen und eine daraus folgende Neustrukturierung von Handelsketten mit kaum absehbaren Folgen für den deutschen Außenhandel ist also weiterhin hoch.

Die Konsumzurückhaltung, die der Lockdown und die andauernden Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens hervorgerufen haben, sowie Störungen der Handelswege – etwa die Grenzschließungen – sorgten im zweiten Quartal für deutlich rückläufige Importe. Während zumindest die Nachfrage nach importierten Gütern im Juni wieder ansprang, blieb sie für Dienstleistungen das gesamte zweite Quartal rückläufig. Im Zuge einer Wiederbelebung der deutschen Binnenwirtschaft ist vor allem bei den Warenimporten mit weiterhin kräftigen Zuwächsen im zweiten Halbjahr zu rechnen. Solange in vielen Ländern mit höchst unterschiedlichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vorgegangen wird, dürfte sich der Import von Dienstleistungen hingegen vorerst nur schleppend erholen.

Vor allem aufgrund taumelnder Ölpreise waren die Importpreise in der ersten Jahreshälfte deutlich gesunken und hatten so die Terms of Trade stark steigen lassen. Wegen des nachfolgenden Erholungsprozesses bei den Ölpreisen dürften die Importpreise im dritten Quartal aber kräftiger steigen als die Exportpreise, im weiteren Verlauf werden beide dann wohl in etwa gleich zulegen und die Terms of Trade damit nahezu unverändert lassen.

Öffentliche Finanzen: Rekorddefizit wegen Corona-Maßnahmen

Der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo dürfte angesichts der finanzpolitischen Hilfs- und Konjunkturmaßnahmen deutlich ins Minus rutschen. Sinkende Steuereinnahmen und geringere Sozialbeiträge sowie steigende Sozialleistungen und Transfers dürften in diesem Jahr zu einem Defizit in Höhe von 215 Milliarden Euro führen.

Die Lohnsteuereinnahmen sind zwar nur in geringem Umfang von den Maßnahmen des Konjunkturprogramms betroffen, allerdings führen sinkende Löhne in Folge des Kurzarbeitergeldes und der geringe Beschäftigungsaufbau schon für sich genommen zu einem gedämpften Zuwachs von knapp vier Prozent im Vergleich zum Jahr 2019. Die Unternehmenssteuern, im Wesentlichen Körperschaft-, Gewerbe- und die veranlagte Einkommensteuer, sind im ersten Halbjahr um 27 Prozent eingebrochen. Auch die Umsatzsteuereinnahmen gingen um mehr als zehn Prozent zurück. Für das Gesamtjahr ergibt sich ein ähnlich starker Rückgang, wobei hier auch die Senkung der Mehrwertsteuer zu Buche schlägt. Insgesamt werden die Steuereinnahmen nach VGR-Abgrenzung wohl um rund 80 Milliarden Euro im Vergleich zum Jahr 2019 sinken. Im nächsten und übernächsten Jahr dürften sie im Zuge der konjunkturellen Erholung und steigender Löhne um 70 beziehungsweise 40 Milliarden Euro steigen.infoEin kräftigerer Anstieg wird allerdings auch durch die erwarteten Mindereinnahmen in Höhe von rund 9,8 Milliarden Euro (2021) beziehungsweise 11,3 Milliarden Euro (2022) infolge des teilweisen Abbaus des Solidaritätszuschlags verhindert.

Die Sozialbeiträge sind im ersten Halbjahr in Folge der schwächeren Arbeitsmarktdynamik ebenfalls gesunken und werden wohl auch im zweiten Halbjahr weiter leicht nachgeben. Die Sozialversicherungen kompensieren derzeit die Sozialbeiträge von BezieherInnen von Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld, was sich merklich in den Kassen niederschlägt.

Alles in allem sinken die gesamtstaatlichen Einnahmen in diesem Jahr um fast 5,1 Prozent. In Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt liegen sie bei 46 Prozent, in den folgenden Jahren dürften sie wieder deutlich steigen.

Die Ausgabenseite ist insbesondere durch die Maßnahmen des Soforthilfeprogramms sowie den Ausgaben im Rahmen des im Juni beschlossenen Konjunkturprogramms getrieben (Tabelle 4).

Tabelle 4: Finanzpolitische Maßnahmen während der Corona-Pandemie

Be- (-) und Entlastungen (+) in Milliarden Euro gegenüber Vorjahr

2020 2021 2022
Finanzpolitische Hilfsmaßnahmen (ohne Konjunkturpaket)
Bund
Staatliche Beschaffung von Schutzprodukten −3,5 3,5
Krankenhausentlastungsgesetz −2,8 2,8
Impfstoffforschung, Nationales Forschungsnetzwerk Corona −0,3 −0,3
Solidaritätsfonds: Zuschuss an Soloselbstständige und Kleinstbetriebe −30 20
Steuerliche Liquiditätshilfen −19 25
Entschädigung für Verdienstausfall bei Kita- und Schulschließung −3,2 3,2
Konjunkturpaket (ohne Überbückungshilfe) −44 20 10
Länder
Globale Mehrausgaben (u.a. Zuschüsse, Gesundheitsausgaben) −10 10
Sozialversicherungen
Ausweitung Kurzarbeitergeld (Quorum, maximal 80 Prozent) −4,3 3 1,3
Sozialschutzpaket: Kurzarbeitergeld −2 1,4 0,6
Verlängerung Anspruchsdauer Arbeitslosengeld −1 0,6 0,4
Corona-Pflegebonus −0,9 0,5 0,4
Krankenhausentlastungsgesetz −1,2 1,2
Kredite und Beteiligungen
Bund
Wirtschaftsstabilisierungsfonds: Kredite −100
Wirtschaftsstabilisierungsfonds: Beteiligungen −100
Startup Hilfspaket −2
Eigenkapitalerhöhung Deutsche Bahn −8
Länder −50
Bügschaften und Gewährträgerhaftung
Bund
Kredit-Bazooka −450
Wirtschaftsstabilisierungsfonds: Bürgschaften −400
Länder −50

Quelle: DIW Herbstgrundlinien 2020.

Die öffentlichen Konsumausgaben verzeichnen in Summe keine größeren Schwankungen. Dies ist allerdings auf gegenläufige Entwicklungen bei den Vorleistungen, sozialen Sachausgaben und Arbeitnehmerentgelten zurückzuführen. So wird die ohnehin schon hohe Grunddynamik bei den Vorleistungskäufen durch zusätzliche Ausgaben für Beatmungsgeräte, Schutzkleidungen und weitere medizinische Ausrüstungen aus dem Soforthilfeprogramm um gut vier Milliarden Euro verstärkt.infoDiese werden dann wohl haushalterisch vom Bund unentgeltlich in Form von Vermögenstransfers an private Kliniken und Krankenhäuser weitergegeben und entsprechend auf der Einnahmeseite gegengebucht. Im nächsten Jahr dürfte die medizinische Ausstattung allerdings wieder in größerem Umfang von den Kliniken direkt gekauft und über die sozialen Sachleitungen abgerechnet werden. Hinzu kommen stattdessen in diesem und den nächsten Jahren weitere konsumtive Ausgaben aus dem Konjunkturprogramm, unter anderem für weitere Ausgaben im Gesundheitsbereich, aber auch Vorleistungskäufe bei den investiven Ausgaben. So dürften die Vorleistungen insgesamt dynamisch um gut zwölf Prozent im Jahr 2020 wachsen. Die geplanten Ausgaben im Konjunkturprogramm sorgen auch im nächsten und übernächsten Jahr für Zuwächse.

Bei den sozialen Sachleistungen sind in diesem Jahr deutlich geringere Zuwachsraten zu erwarten. Denn nicht notwendige Operationen und Arztbesuche werden verschoben, Rehabilitationsmaßnahmen und andere gesundheitliche Dienstleistungen ganz ausgesetzt, wofür die Krankenhäuser von der Bundesregierung kompensiert werden. Spätestens im zweiten Halbjahr 2020 dürfte dann einiges nachgeholt werden und die Krankenhäuser werden wohl wieder in Vollauslastung operieren, sodass die sozialen Sachleistungen über das Jahr gerechnet um rund 3,3 Prozent steigen. Der Nachholbedarf dürfte sich dann auch in die kommenden Jahre hineinziehen und in kräftigeren Zuwachsraten niederschlagen.

Die Lohn- und Beschäftigungsentwicklung im öffentlichen Dienst dürfte kaum betroffen sein, denn für dieses Jahr haben sich die Tarifparteien bereits geeinigt. Allerdings werden die Lohnerhöhungen im nächsten Jahr wohl verhaltener ausfallen – wegen der knapperen Kassenlage und weil sich Gewerkschaftsforderungen wohl verstärkt auf Änderungen der Arbeitszeitregelungen beziehen könnten.

Die monetären Sozialleistungen werden im Jahr 2020 nochmals dynamischer zulegen, nicht nur wegen der höheren Auszahlungen für Kurzarbeitergeld und der verlängerten Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, sondern auch wegen des im Konjunkturprogramm beschlossenen Kinderbonus, der im zweiten Halbjahr 2020 ausgezahlt wird. Im nächsten Jahr werden die monetären Sozialleistungen wohl – infolge der Verlängerung der Kurzarbeitergeldregelungen – bis Ende 2021 nochmals leicht zunehmen. Dennoch wird sich die Dynamik im nächsten Jahr abschwächen, auch weil mit keinen weiteren Rentenerhöhungen zu rechnen ist.

Der größte Anstieg wird sich bei den Subventionen zeigen, denn hier fließen nicht nur die zusätzlichen Ausgaben des im vergangenen Jahr beschlossenen Klimaschutzpakets ein, sondern auch die Zuschüsse des Solidaritätsfonds an Soloselbstständige und Kleinstunternehmen in Höhe von rund 60 Milliarden Euro. Hiervon sind allerdings aktuell erst 15 Milliarden Euro bewilligt. Zwar wurden im Konjunkturprogramm die Gruppe der Anspruchsberechtigten auf Klein- und mittelständige Unternehmen in Form der Überbrückungshilfen ausgeweitet beziehungsweise und bestehende Mittel in Höhe von 25 Milliarden Euro umgewidmet, dennoch werden die Mittel bis zum Ende des Jahres wohl nicht vollständig ausgeschöpft werden. Auch die Übernahme der Sozialbeiträge bei der Kurzarbeit sowie zahlreiche Einzelmaßnahmen des Konjunkturprogramms erhöhen die Subventionen spürbar. Zudem setzt der Bund die EEG-Umlage für Unternehmen im Jahr 2021 in Höhe von elf Milliarden Euro aus. Insgesamt dürften auch durch die Hilfs- und Konjunkturprograme zusätzliche Subventionen in Höhe von insgesamt über 100 Milliarden Euro in diesem und nächstem Jahr bereitstehen.

Auch die geleisteten Vermögenstransfers entwickeln sich coronabedingt dynamisch; ein Großteil ist wohl auf die im Zukunftspaket des Konjunkturprogramms beschlossenen investiven Maßnahmen des Bundes zurückzuführen, die in erster Linie Investitionszuschüsse und -zulagen enthalten.

Die Entwicklung bei den staatlichen Bruttoinvestitionen dürfte der dynamischen Entwicklung der vergangenen Jahre folgen, denn zumindest der Bund hat seine Investitionsausgaben über die mittlere Frist verstetigt. Im Zukunftspaket des Konjunkturprogramms ist zudem vorgesehen, Sachinvestitionen vorzuziehen, insbesondere im Bereich militärischer Ausrüstungen und Digitalisierung. Auch werden zusätzliche Mittel für die nächsten Jahre bereitgestellt, etwa für den Ausbau von Ganztagesschulen und Kitas. Ferner wird ein Großteil des Zukunftspaktes als Rücklage in Höhe von 25 Milliarden Euro in den Energie- und Klimafonds eingezahlt und das Sondervermögen Digitale Infrastruktur mit fast fünf Milliarden Euro für die Förderung von Investitionen zur Unterstützung des Gigabitnetzes ausgestattet. Allerdings hängen die gesamtstaatlichen Investitionen von den Ländern und insbesondere Gemeinden ab, die rund 60 Prozent der gesamten öffentlichen Bauinvestitionen ausmachen. Diese wurden allerdings besonders hart durch die Corona-Krise getroffen: Die Gewerbesteuer als wichtigstes Einnahmeinstrument ist eingebrochen.infoIm Gesamtjahr dürfte der Rückgang fast 25 Prozent betragen. Hinzu kommen coronabedingte Mehrausgaben und Mindereinnahmen, etwa durch Sozialtransfers und medizinischen Sachleistungen, die zum Teil bei den Gemeinden anfallen. Diese würden – sofern keine Rücklagen vorhanden sind – der defizitären Finanzsituation mit einer Drosselung ihrer Investitionstätigkeit begegnen. Allerdings unterstützen Bund und Länder die Gemeinden nun im Rahmen des Konjunkturprogramms. So sind eine Übernahme der erwarteten Gewerbesteuerausfälle des Jahres 2020 in Höhe von rund zwölf Milliarden Euro, eine Übernahme der Sozialausgaben in Höhe von vier Milliarden Euro jährlich sowie ein jährlicher Zuschuss in Höhe von einer halben Milliarde Euro zur Förderung strukturschwacher ostdeutscher Regionen vorgesehen. Zudem wird ein Teil der investiven Maßnahmen in Form von Zuweisungen an die Länder zur Förderung von Investitionen weitergegeben. Diese Maßnahmen, für die allein bis zum Jahr 2025 rund 35 Milliarden Euro veranschlagt werden, dürften die coronabedingten Defizite der Gemeinden zumindest teilweise ausgleichen und dadurch den Spielraum für notwendige Investitionen insbesondere in den Bereichen Bildung, Klima und Digitalisierung aufrechterhalten. Alles in allem entwickeln sich die öffentlichen Investitionen deutlich schwächer als in den Vorjahren, auch weil Lieferengpässe und die Einschränkung der Arbeitsmobilität etwas dämpfen. Allerdings ist die Dynamik mit mehr als sechs Prozent weiterhin überdurchschnittlich hoch.

Insgesamt dürften die Ausgaben im Jahr 2020 damit um 185 Milliarden Euro beziehungsweise knapp zwölf Prozent zunehmen. Im nächsten Jahr steigen die Ausgaben insbesondere wegen des Wegfalls dieser Einmaleffekte dann nur noch um 0,8 Prozent.

Die hohen Mehrausgaben und Mindereinnahmen durch die Corona-Krise münden in einem gesamtstaatlichen Defizit in Höhe von 215 Milliarden Euro. Mehr als 120 Milliarden Euro sind dabei auf die unterstellten direkten finanzpolitischen Maßnahmen durch das Soforthilfepaket und das Konjunkturprogramm zurückzuführen. Auch für die kommenden beiden Jahre ist maßnahmenbedingt noch mit einem deutlichen Defizit in Höhe von rund 134 beziehungsweise 77 Milliarden Euro zu rechnen. Der Bruttoschuldenstand des Gesamtstaates in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt wird unter Berücksichtigung der zusätzlichen Kredite und Beteiligungen von insgesamt 250 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 76 Prozent steigen (Tabelle 5).

Tabelle 5: Ausgewählte finanzpolitische Indikatoren1

In Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt in Prozent

Staatseinnahmen Staatsausgaben Finanzierungssaldo Nachrichtlich: Zinssteuerquote2 Staatsschuldenquote nach Maastricht
insgesamt darunter: insgesamt darunter:
Steuern Sozialbeiträge Zinsausgaben Bruttoinvestitionen
2011 44,4 22,3 16,4 45,2 2,5 2,3 -0,9 11,2 80
2012 44,9 22,9 16,6 44,9 2,3 2,2 0,0 10,1 81
2013 45,0 23,0 16,6 44,9 1,8 2,2 0,0 8,0 79
2014 44,9 22,8 16,5 44,3 1,6 2,1 0,6 7,1 76
2015 45,1 23,1 16,6 44,1 1,4 2,1 1,0 6,0 72
2016 45,5 23,4 16,7 44,4 1,2 2,2 1,2 5,1 69
2017 45,6 23,5 16,9 44,2 1,0 2,2 1,4 4,4 65
2018 46,3 23,9 17,1 44,5 0,9 2,3 1,8 3,9 62
2019 46,7 24,0 17,3 45,2 0,8 2,5 1,5 3,3 60
2020 46,4 22,6 18,1 53,1 0,7 2,8 -6,7 2,9 76
2021 46,4 23,4 17,6 50,4 0,5 2,8 -4,0 2,1 75
2022 47,3 23,8 18,1 49,6 0,4 2,8 -2,3 1,7 74
2021/2019 46,5 23,3 17,7 49,6 0,6 2,7 -3,1 2,8 70

1 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

2 Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen.

Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Herbstgrundlinien 2020.

Mittelfristprojektion: Sinkendes Arbeitsangebot, stärkere Importe

Ausgehend von der Annahme, dass die Auswirkungen der Corona-Krise in der mittleren Frist überwunden sind, setzt sich der Vorkrisentrend fort. Das geht – angesichts zunehmender Renationalisierung und einem Bedeutungsgewinn des Konsums in gewichtigen aufstrebenden Volkswirtschaften – mit einer schwächeren Nachfrage nach deutschen Exporten einher, die stark auf Investitionsgüter ausgerichtet sind.

Maßgeblich für die mittelfristige Entwicklung ist eine demografisch angelegte, merkliche Verlangsamung des Potentialwachstums der deutschen Wirtschaft (Kasten 5). Da die Produktion der deutschen Wirtschaft im Jahr 2022 dem angebotsseitigen Potential entspricht, wird sie im Folgenden mit der Trendrate wachsen: um knapp ein Prozent im Jahr 2023 und dann nur noch um jeweils knapp ein dreiviertel Prozent.

Die Berechnung des Produktionspotentials basiert auf dem Verfahren der Europäischen Kommission.infoFür eine ausführliche Beschreibung dieser Methode siehe Karel Havik et al. (2010): The Production Function Methodology for Calculating Potential Growth Rates and Output Gaps. Europäische Kommission in ihrer Reihe European Economy – Economic Papers Nummer 420. Für Details zum Vorgehen vergleiche Claus Michelsen et al. (2020): Deutsche Wirtschaft: Corona-Virus stürzt deutsche Wirtschaft in eine Rezession. Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Frühjahr 2020 (online verfügbar). Es wird um ein AlterskohortenmodellinfoSiehe Ferdinand Fichtner et al. (2017): Deutsche Wirtschaft bleibt gut ausgelastet. Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Herbst 2017. DIW Wochenbericht Nr. 36 (online verfügbar). ergänzt, das entwickelt wurde, um demografische Struktureffekte abzubilden. Zudem werden spezifische Charakteristika nach Deutschland Geflüchteter berücksichtigt.infoVgl. Projektgruppe Gemeinschafsdiagnose (2016): Frühjahr 2016 – Aufschwung bleibt moderat – Wirtschaftspolitik wenig wachstumsorientiert. 52ff. (online verfügbar).

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird anhand der im Juni 2019 aktualisierten Bevölkerungsprojektion (Variante 2) fortgeschrieben. Diese wurde vor dem Hintergrund einer hohen Zuwanderung vorgenommen. Der tatsächliche Wanderungssaldo für das Jahr 2019 betrug etwa 327 000 Personen. Viele davon, 107 000, kamen nach wie vor aus den EU-Ländern, insbesondere den osteuropäischen sowie aus Italien.infoVgl. Statistisches Bundesamt: Datenbank Genesis (abgerufen am 2. September 2020). Die Nettozuwanderung aus Drittstaaten liegt bei rund 223 000 Personen, wobei die größten Zuwächse gegenüber Syrien, Türkei und Indien zu beobachten sind. Für den Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung bei den Erwerbszuwanderern wird der aktuelle Wert aus dem Ausländerzentralregister angesetzt.infoRund 90 Prozent der EU-Zuwanderer sind im erwerbsfähigen Alter. Bei der Nicht-Erwerbszuwanderung beträgt der Anteil 71 Prozent. Siehe Statistisches Bundesamt (2020): Fachserie 1, Reihe 2. Ausländische Bevölkerung – Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 2019. Insgesamt können die positiven Wanderungssalden den altersbedingten Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung nicht kompensieren.

Die trendmäßige Partizipationsquote ergibt sich aus getrennten Modell-Rechnungen für Geflüchtete und die übrige Bevölkerung. Sie verharrt bis 2023 mit 74,7 Prozent auf dem Niveau dieses Jahres und sinkt anschließend; bis zum kommenden Jahr steigt die Zahl der Erwerbspersonen noch an. Die natürliche Erwerbslosenquote ergibt sich als gewichteter Durchschnitt der Quoten für Geflüchtete und der übrigen Bevölkerung. Sie liegt im Jahr 2020 bei 3,6 Prozent und verbleibt dort. Die Arbeitszeit setzt ihren Abwärtstrend fort, deswegen und wegen der ab 2023 stärker sinkenden Erwerbsbevölkerung sinkt das Arbeitsvolumen bis 2024 jahresdurchschnittlich um ein Zehntel Prozent.

Der Kapitalstock wird über den gesamten Projektionszeitraum anhand der Nettoinvestitionszuwächse fortgeschrieben, wobei eine auf dem letzten Wert der kurzen Frist basierende konstante Abschreibungsrate gesetzt wird. Der Wachstumsbeitrag dieses Faktors dürfte im Projektionszeitraum knapp einen halben Prozentpunkt ausmachen.

Zusammen mit dem Wachstumsbeitrag der totalen Faktorproduktivität in Höhe von knapp zwei Drittel Prozentpunkten ergibt sich schließlich, dass das reale Produktionspotential bis 2024 um jahresdurchschnittlich ein Prozent zunehmen wird (Tabelle). Gegen Ende des Projektionszeitraums sinkt die Rate etwas darunter.

Tabelle: Wachstum des realen Produktionspotentials

Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent

2014–2019 2019–2024
Produktionspotential 1,3 0,9
Wachstumsbeiträge
Arbeitsvolumen 0,1 -0,1
Kapitalvolumen 0,5 0,4
Totale Faktorproduktivität 0,6 0,6

Differenzen bei der Aggregation entstehen durch Rundungseffekte.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Europäische Kommission; DIW Herbstgrundlinien 2020.

Die Beschäftigung sinkt im Zuge der alternden Gesellschaft (Tabelle 6), der Trend einer rückläufigen Arbeitszeit setzt sich fort. Alles in allem steht der deutschen Wirtschaft ein immer geringeres Arbeitsvolumen zur Verfügung. Da ein zunehmender Teil der Binnennachfrage durch Importe gedeckt wird, gibt es dennoch keine Knappheiten auf dem Arbeitsmarkt. Die Löhne je ArbeitnehmerIn steigen durchschnittlich, real dürfte das Plus gut ein dreiviertel Prozent betragen. Von einer um gut zwei Prozent steigenden Bruttolohn- und -gehaltssumme sind deutlich zulegende Abgaben abzuführen, netto fällt das Plus entsprechend mäßiger aus. Aufgrund zunehmender Rentenzahlungen steigen die Masseneinkommen und schließlich auch die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte aber dennoch um gut zwei Prozent.

Tabelle 6: Verwendung des nominalen Bruttoinlandsprodukts

Bruttoinlandsprodukt Konsumausgaben Bruttoinvestitionen Außenbeitrag
private Haushalte Staat
in Milliarden Euro
2014 2927 1564 573 596 194
2019 3449 1807 705 738 200
2024 3938 2060 887 831 160
Anteile am Bruttoinlandsprodukt
2014 100 53,4 19,6 20,4 6,6
2019 100 52,4 20,4 21,4 5,8
2024 100 52 22 1/2 21 4
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent
2019/2014 3,3 2,9 4,2 4,3
2024/20191 2 1/4 2 1/4 4 2

1 In dieser Projektion sind die Vorausschätzungen auf 1/4-Prozentpunkte gerundet.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Herbstgrundlinien 2020.

Bei einer im langfristigen Durchschnitt liegenden Teuerung lässt sich ein realer Konsumanstieg um gut ein Prozent (Tabelle 7) – dies entspricht pro Kopf gerechnet dem langjährigen Durchschnitt – nur durch eine Absenkung der Sparquote finanzieren. Diese sinkt graduell von knapp elf Prozent zum Ende der kurzen Frist auf unter zehn Prozent zum Ende des Mittelfristhorizonts im Jahr 2025. Den sich leicht abschwächenden Exportzuwächsen stehen relativ kräftige Importsteigerungen entgegen; der Handelsbilanzsaldo sinkt in Relation zur nominalen Wirtschaftsleistung deutlich unter vier Prozent.

Tabelle 7: Erwerbstätige, Beschäftigte und Arbeitszeit

Erwerbstätige (Inland) beschäftigte Arbeitnehmer (Inland) Arbeitszeit je Erwerbstätigen Bruttoinlandsprodukt
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte
insgesamt je Erwerbstätigen je Erwerbstätigenstunde in jeweiligen Preisen Deflator
in Mio. in Mio. in Stunden in Mrd. Euro in Euro in Euro in Mrd. Euro 2015 = 100
2014 42721 38262 1400 2982 69795 50 2927 98
2019 45269 41117 1383 3232 71401 52 3449 107
2024 44743 41047 1349 3336 74567 55 3938 118
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent
2019/2014 1,2 1,4 −0,3 1,6 0,5 0,7 3,3 1,7
2024/20191 −1/4 −0 −1/2 1/2 3/4 1 1/4 2 1/4 1 3/4

1 In dieser Projektion sind die Vorausschätzungen auf 1/4-Prozentpunkte gerundet.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Herbstgrundlinien 2020.

Die Ausrüstungsinvestitionen verlieren an Tempo – in Relation zur Wirtschaftsleistung bleiben sie aber zumindest konstant. Dies gilt auch für die Bauinvestitionen, selbst für den Wohnungsbau. Hier steht den dämpfenden Effekten der schrumpfenden Bevölkerung der anhaltende Trend zur Urbanisierung gegenüber.

Laura Pagenhardt

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Makroökonomie

Max Hanisch

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Weltwirtschaft

Marius Clemens

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Provisorischer Bereich Prognose und Konjunkturpolitik

Claus Michelsen

Abteilungsleiter in der Provisorischer Bereich Prognose und Konjunkturpolitik

Simon Junker

Stellvertretender Abteilungsleiter in der Provisorischer Bereich Prognose und Konjunkturpolitik

Konstantin A. Kholodilin

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie



JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-37-3

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/226741

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